Selbstorganisation
Am letzten Freitag hatte ich das Glück am it-camp der oose teilnehmen zu können. Das Thema war Selbstorganisation. Der Referent war einer der führenden Köpfe systemischer Organisationsberatung und Therapie in Deutschland: Fritz B. Simon. Er erklärte in seinem Referat die Grundbegriffe der systemischen Organisationstheorie. Im Anschluss gab es ein Worldcafe, das sich sehr stark um alle Aspekte der Selbstorganisation von Teams dreht. Das Ende der Veranstaltung war ein Open-Space. Ich habe dort mit anderen versucht einige Verwirrungen um den Begriff der Selbstorganisation, wie er im Referat entfaltet wurde und wie er uns in den Diskussionen umtrieb, aufzulösen.
Das Einführungsreferat argumentierte sehr grundsätzlich. Selbstorganisation sei die Daseinsform von sozialen Systemen. Selbstorganisation sei ein Gegenbegriff zur mechanischen Kausalität und biologischen, psychischen und sozialen Systemen eigen. Er bedeute, dass diese Systeme ihre Interpretation ihrer Umwelt (was immer Interpretation für das jeweilige System - psychisch, lebendig, sozial - sei) selber schüfen. Mechanische Systeme könne man von außen anstoßen und steuern. Sie hätten Gesetze, die erklärten, was aus dem Anstoss würde. Selbstorganisierte Systeme könnten auch von außen verwirrt, gereizt, angestoßen werden, aber das was dann passiere liege in der Dynamik des Systems und sei nicht aus dem Reiz ableitbar. Diese Phänomen nenne man Selbstorganisaton. Wenn diese Systeme sich nicht mehr selbstorganisierten, dann wären sie tot, dann hörten sie auf als Systeme zu existieren.
Was uns in der Open-Space-Gruppe umtrieb war das Verhältnis von dem sehr grundsätzlichen Begriff der Selbstorganisation, wie ihn Fritz B. Simon entwickelt hatte und dem Begriff, der uns in unseren Debatten um die Selbstorganisation in unseren Teams umtrieb. Der systemische Begriff stellte so etwas wie die grundlegende Daseinsweise eines sozialen System dar. Die Frage wie selbstorganisiert ein soziales System sei, ist in diesem Kontext eine unsinnige Frage. Soziale Systeme sind immer selbstorganisiert - das sind sie qua Definition. Diese Art der systemischen Selbstorganisation ist nicht graduierbar - mehr oder weniger selbstorganisiert. Das jedoch war es, was uns in unseren Diskussion in den World-Cafe Runden umtrieb: Wie selbstorganisert sind unsere Teams, wie können wir dafür sorgen, dass sie sich noch besser selbst organisieren? Dieser - unser - Begriff der Selbstorganisation schien eher ein Gegenbegriff zu Fremdbestimmung zu sein.
In der Open-Space Gruppe waren wir ratlos. Wir hatten den Eindruck, es gäbe zwei Begriffe von Selbstorganisation, die sich zwar das Wort teilten, ansonsten - zumindest zunächst und für uns - wenig mit einander zu tun hätten. Zum einen war da der Begriff 'Selbstorganisation eines sozialen Systems', der auf eine grundlegende Bewegungs- und Existenzweise dieses Systems verwies zum anderen war da der Begriff, der unsere Diskussionen motivierte, der als Gegenbegriff zu Fremdbestimmung fungierte und die Frage nach einer Verbesserung unserer Selbstorganisation erlaubte. (Vielleicht so: einmal ein analytischer, kategorialer, einmal ein normativer Begriff.) Unsere Ratlosigkeit füllten wir mit ein paar Vermutungen. Vielleicht sei der systemische Begriff zwar völlig richtig, aber auch völlig unbrauchbar für unsere Debatte. Vielleicht müsse der systemische Begriff weiter entwickelt werden, bspw. in Form der Frage nach verschiedenen möglichen Mustern von Selbstorganisation, um anschlussfähig an die Frage nach der Verbesserung der Selbstorganisation im Team zu werden. Wahrscheinlich gäbe es auch die entsprechenden Weiterentwicklungen, aber uns blieben sie verborgen.
Ich freue mich über Kommentare an: self(ät)jenshimmelreich.de
Kommentare
-
... und beim lesen kommt mir die folgenden Gedanken: Eine Aussage im Vortrag war, wenn ein selbstorganisiertes System sich nicht mehr verändert ist es tot, da es sich alleine schon um zu bleiben wie es, sich ständig entwickeln muss. In starren Organisationen treiben wir großen Aufwand um mit Regeln, Rollen und Vorschriften dafür zu sorgen, dass sich die Strukturen statisch und berechenbar, also möglichst tot bleiben. Das was zum Beispiel in Rahmen von Scrum von uns angestrebt wird, ist ein System (Team) welches sich durch ein gemeinsames Ziel definiert, aber lebendig ist. Das heißt, wenn es krank ist (seine Beziehungsregeln oder seine Strukturen nicht funktionieren) wird es sich von selbst regenerieren und gesunden.
-
Wie wäre es, den Begriff "Zweck" in die Diskussion einzuführen? Hr. Simon hat, würde ich sagen, vor allem soziale Systeme gemeint, die "sich einfach finden". Sie entstehen "von innen heraus". Beispiele wären da für mich Familie oder Dorfgemeinschaft. Solche sozialen Systeme müssen ihren Zweck erst entwickeln; der wird gemeinschaftlich festgestellt. Und dann gibt es soziale Systeme, die sich nicht "einfach finden", sondern die "gemacht werden". Beispiel: ein Softwareteam. Solche sozialen Systeme müssen ihren Zweck nicht entwickeln; der ist ihnen "vom Erzeuger" vorgegeben. Die ersteren sozialen Systeme sind autopoietisch. Sie erhalten sich selbst. Dafür organisieren sie sich ständig selbst. Letztere hingegen sind nicht autopoietisch im strengen Sinn, würde ich sagen. Sie werden von außen erhalten. Deshalb haben sie auch keinen inhärente Notwendigkeit zur Selbstorganisation bzw. die hat immer eine Grenze, die durch den Erzeuger vorgegeben ist. Ich denke, die Frage muss deshalb lauten: Ist es zielführend (Welches Ziel? Wessen Ziel? ;-), Teams zu echt selbstorganisierenden Systemen zu machen? Oder inwiefern geht das überhaupt, da sie ja in etwas Größerem aufgehängt sind?