Was macht das perfekte Team aus? Google startet im Jahre 2012 ein Projekt, um das herauszufinden - das Projekt Aristotle. Google misst schon lange alle Parameter seiner Projekte. Wer, wenn nicht sie, sollte in der Lage sein, die Frage zu beantworten? Im Rahmen des Projektes werden mehr als 200 Interviews geführt und mehr als 250 Eigenschaften von über 180 Teams untersucht? Das Ergebnis: Psychologische Sicherheit ist der wichtigste Faktor.

Nicht viel ist über das Projekt Aristotle bekannt. Daten sind nicht veröffentlicht. Forschungsberichte nicht publiziert. Eine Veröffentlichung im Google-Blog re:Work (1) und ein Artikel des New York Times Magazine (NTYM) (2) sind die Quellen. ‘What Google Learned From Its Quest to Build the Perfect Team’ titelt das NYTM am 28.2.2016. Das öffentliche Bild des Projekt Aristotle folgt im Wesentlichen diesem Artikel. Die Forscher:innen von Google sind angetreten, die Frage nach dem idealen Team zu beantworten. Nachdem sie Hunderte von Interviews geführt und Tausende von Daten gesammelt hatten, waren sie ratlos. Das NYTM zitiert Dubey, einen Leiter des Projektes: “We looked at 180 teams from all over the company. We had lots of data, but there was nothing showing that a mix of specific personality types or skills or backgrounds made any difference.”

Die Google-Forscher:innen sind dann auf eine Studie zum Thema kollektive Intelligenz (3) aus dem Jahre 2008 gestoßen. Dort wurde nach Faktoren gefragt, die die Intelligenz einer Gruppe, ihr Problemlösungsverhalten, auszeichnen. Die Autor:innen hätten fanden zwei Faktoren: “equality in distribution of conversational turn-taking” und “high ‘average social sensivity’”. (In der Studie selbst sprechen die Autor:innen von drei Faktoren. Der dritte, “proportion of females in the group”, fällt im NYTM unter den Tisch. Dieser Parameter sei in ‘social sensivity’ enhalten, weil “women in our sample scored better on the social sensitivity measure than men”, so die Autor:innen.) Zwei Faktoren sind für die kollektive Intelligenz eines Teams verantwortlich: alle Teammitglieder haben den gleichen Redeanteil und Teammiglieder wissen intuitiv, wie die anderen sich fühlen. Diese beiden Konzepte, ‘conversational turn-taking’ und ‘average social sensivity’, sind Aspekt von etwas, das die Psychologin Amy Edmondson als Psychologische Sicherheit (PS) (4) eingeführt hat, so das NYTM. Mit dieser Erkenntnis löste sich der Knoten im Google-Team: “When Rozovsky and her Google colleagues encountered the concept of psychological safety in academic papers, it was as if everything suddenly fell into place.” Wenn Teams gut arbeiten, ist PS mehr als alle anderen Faktoren dafür verantwortlich.

Die schon erwähnte Julia Rozovsky, Mitarbeiterin der Personalabteilung von Google, fasst im re:Work-Blog die Ergebnisse des Projektes zusammen: “Who is on a team matters less than how the team members interact, structure their work, and view their contributions.” (1) Fünf Faktoren sind es, die erfolgreiche Teams von anderen unterscheiden:

  1. Psychologische Sicherheit
  2. Verlässlichkeit untereinander
  3. Struktur und Klarheit der Aufgaben und Ziele
  4. Bedeutung der aktuellen Arbeit
  5. Grundsätzlicher Einfluss der Arbeit.

Und: “Psychological safety was far and away the most important of the five dynamics we found.” (Interessant ist auch, welche Faktoren keine Rolle spielen: Zusammensitzen, konsensorientierte Entscheidungsprozesse, Extrovertiertheit, individuelle Performance, Arbeitsbelastung, Seniorität, Teamgröße und Erfahrung.)

Was ist nun diese Psychologische Sicherheit? Und: Warum war sie zunächst für die Google-Forscher unsichtbar und tauchte später auf? Amy Edmondson hat den zentralen Aufsatz zum Thema PS 1999 veröffentlicht (4). Sie entwickelt ein Modell für Lernverhalten im Team. Ihre Ergebnisse: Lernverhalten ist der kritische Faktor für Team-Output und Team-Performance in sich verändernden Umgebungen. PS ist der Schlüsselfaktor für die Entwicklung von Lernverhalten im Team. Strukturelle Faktoren wie Unterstützung der Umgebung und coachendes Verhalten der Führungspersonen wirken sich dann positiv auf die Team-Performance aus, wenn PS vorhanden ist. PS definiert sie als: “a shared belief held by members of a team that the team is safe for interpersonal risktaking.” (350) Diese Definition hat zwei Elemente. Erstens “a shared belief”: es handelt sich um ein Konstrukt auf Gruppenebene. Die Mitglieder der Gruppe teilen eine Überzeugung. Zweitens “the team ist safe for interpersonal risktaking”: In diesem Team kann man ins Risiko gehen, kann seine Fragen stellen, seine Unsicherheiten zeigen. Der Raum des Teams ist ein sicherer Ort für Individuen. Die These des Aufsatzes ist unmittelbar plausibel: Ein Team entwickelt ein gutes Lernverhalten, wenn seine Mitglieder es als sicheren Ort für ihre Ideen, Fragen, halbgaren Vorstellungen und Unsicherheiten erleben. Auch der Zusammenhang zur Studie ‘collective intelligence’ (3) ist einsichtig. Wenn die Redeanteile in einem Team ausgeglichen sind und die Teammitglieder intuitiv wissen, wie es den anderen geht, ist das ein Ausdruck von PS.

Edmondson ordnet ihre Studie ein: Bisherige Studien haben strukturelle und zwischenmenschliche Faktoren als alternative Erklärungen für die Wirksamkeit von Teams betrachtet. Ihre Studie bietet eine integrierende Perspektive. Sie zeigt wie PS strukturelle Faktoren (gemeint sind Unterstützung des Teams durch die Umgebung und eine coachendes Verhalten der Vorgesetzten) mit der Wirksamkeit des Teams vermittelt. Also keine Addition der Faktoren, sondern durch PS beeinflussen strukturelle Faktoren die Wirksamkeit.

Edmondson hat verschiedene Arten von Teams untersucht: Crossfunctional und single-functional Teams, zeitlich begrenzte und permanente, selbstorganisierte und geführte Teams. Der Typ des Teams und seine Erfahrung spielen für die PS keine Rolle.

Ihre Studie bestand aus drei Teilen. Zunächst führte sie qualitative Interviews mit ausgewählten Teams, daraus entwickelte sie eine Befragung für das gesamte Unternehmen. Ausgehend von den Befragungsergebnissen interviewte sie spezielle Teams, gering und stark lernende. Die Stichprobe dieser Interviews ist klein, aber sie vertieft die Erkenntnisse der Befragung. Single-Functional Teams sind in der Gruppe der wenig lernenden Teams unterrepräsentiert. Produktentwickungs-, Projekt und selbstorganisierte Teams sind unter den stark lernenden Teams überrepräsentiert. Unter den vier stark-lernenden Teams gab es zwei, die keine strukturelle Unterstützung erfahren hatten. “A lack of structural support did not seal their fate.” formuliert Edmondson. Anders gesagt: PS entkoppelt das Team von den Einflüssen seiner Umwelt. Auch wenn es nicht ausreichend unterstützt wird, kann ein Team aufgrund seiner PS Lernverhalten entwickeln und erfolgreich sein.

Wenn dieser Faktor, PS, so wichtig ist, warum ist er den Googleforscher:innen zunächste nicht aufgefallen? Die Antwort auf diese Frage steckt in der Definition von PS, die Edmondson gibt: “a shared belief held by members of a team”. Deutlicher formuliert Edmondson es in ihrem Buch ‘die angstfreie Organisation’ aus dem Jahre 2018: “Wir wissen heute, dass sich psychologische Sicherheit als Merkmal einer Gruppe einstellt, und dass Gruppen in Organisationen oftmals eine stark interpersonelle Atmosphäre haben.” Die Googleforscher:innen hatten alle möglichen individuellen Parameter (250) untersucht, um das Muster eines erfolgreichen Teams zu finden, und keine signifikanten Korrelationen entdeckt. Erst als sie, geläutert durch die Arbeiten zur kollektiven Intelligenz und zur PS, die Ebene der Gruppe als eigenständiger Analyseebene in den Blick genommen hatten, klärte sich der Nebel und die Zusammenhänge wurden deutlich. “Die PS scheint auf der Ebene der Gruppe zu ‘leben’.” (5) Kochrezepte für die Zusammensetzung von Teams verbieten sich - leider!

Die Frage ‘Wie PS im Team unterstützt werden kann’ wird das Thema des zweiten Teils dieses Artikels sein.

Quellen

(1) https://rework.withgoogle.com/blog/five-keys-to-a-successful-google-team/
(2) https://www.nytimes.com/2016/02/28/magazine/what-google-learned-from-its-quest-to-build-the-perfect-team.html
(3) Anita Williams Woolley, Christopher F. Chabris, Alex Pentland, Nada Hashmi and Thomas W. Malone: ‘Evidence for a Collective Intelligence Factor in the Performance of Human Groups’, in: Science 330, 2010, http://science.sciencemag.org/content/330/6004/686
(4) Amy Edmondson: ‘Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams’ in: Administrative Science Quarterly 2, 1999
(5) Amy Edmondson: ‘Die angstfreie Organisation’, München 2020